Vitalität des Kindes
- Isabel
- 27. Jan. 2021
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Aug. 2024

Ernährung und Bewegung
Ich glaube es gibt unzählige Bücher und „Pyramiden“ zu diesem Thema. Aber eigentlich gibt es vor allem zwei Dinge die Eltern zum Thema Körper-Vitalität im Auge behalten sollte: gesundes Essen (wenig Zucker!) und genügend Bewegung.
Ernährung
Ich werde manchmal von Pädagogen, aber auch von unserer Kinderärztin, bezüglich der hohen Vitalität meiner Kinder angesprochen. Ehrlich gesagt, habe ich mir vorerst gar keine großen Gedanken über die Ernährung meiner Kinder gemacht.
Da ich jedoch selbst ein Kind jener Generation bin, als Vollkornbrot, Frischkornbrei und Co. aufkamen, ernährte ich mich bereits im Kindesalter relativ gesund und vielseitig.
Und so halte ich es auch im Wesentlichen bei meinen Kindern. Ich halte nicht viel von Verboten, dafür umso mehr von Aufklärung und am allermeisten von – ja, so ist es leider – Vorbildwirkung!
Ich habe die Erfahrung gemacht: liegt bei einem Kind ein „Essensproblem“ vor (Isst nur Nudeln – will immer Naschen – verlangt nach Cola - …), fällt der Apfel nicht weit vom Stamm.
Ich weiß, dass allen Eltern die Gesundheit ihrer Kinder wichtig ist. Bestimmt denken sie nicht daran, dass auch ihr Kind nach Schokolade verlangt, wenn Mama heimlich nascht oder Papa ab und zu ein Cola trinkt, von den Energie Drinks ganz zu schweigen. Aber was Eltern tun, ist eben für die eigenen Kinder automatisch gut – daran führt kein Weg vorbei. Auch nicht der, dass man erklärt, dass es „eh nicht gut ist, aber Papa halt …“
Ähnlich verhält es sich mit den „Nudelessern“: Irgendwann fiel mir auf, dass viele der Spielkameraden, die meine Kinder zum Spielen einladen, Nudeln, und zwar ohne Sugo oder Beiwerk bevorzugen?!
Meine jüngste Tochter isst Nudeln nicht einmal besonders gerne, leer schon gar nicht – woher also dieser Pastáaffine Zugang?
Als ich mit den betreffenden Familien über ihren Alltag sprach, ging mir ein Licht auf. Bei den meisten Familien wurde nur am Wochenende so richtig gekocht. Unter der Woche musste eine schnelle, warme Mahlzeit für die Kleinen her – und was geht da schneller als Nudeln, Fischstäbchen und Co.
Es ist die Zeit, die Eltern fehlt, um ordentlich für sich – es kommt nämlich auch ihrem Organismus zugute – und ihren Nachwuchs zu kochen. Und wenn Papa oder Mama so oft Nudeln offerieren, na dann wird es doch wohl gut sein, denkt das Kind.
Abgesehen von der „Nudelfalle“ und einer schlechten Vorbildwirkung, habe ich doch des Öfteren eine weitere Sache beobachtet, die dem Kind einen gesunden Zugang zu seiner Ernährung verwehren kann:
Wir sprechen hier von einer Erfahrung, die das Kind oft weit früher in seiner Entwicklung macht und später von allen unbemerkt ins Essverhalten übertragen wird.
Bestimmt haben alle Eltern einen Begriff davon, wenn ich das Wort „orale Phase“ oder umgangssprachlich „das ewige in den Mund stecken“ erwähne. Hier passiert ein höchst essenzieller und prägender Prozess. Es ist für Eltern eine der größten Herausforderungen im ersten Kindesjahr, hier eine Balance zu finden, zwischen dem Bedürfnis des Kindes, alles mit den oralen Wahrnehmungskanälen zu erkunden und dem Bannen der Gefahr, die unsere Umgebung manchmal birgt. Der Sand aus dem Sandkasten, kleine Steinchen, alles würde unser Neuankömmling gerne mit dem Mund begutachten. In vielen Fällen spricht nichts dagegen, aber wenn es dann ein rostiger Nagel ist, der sich in einem Eck auf der Terrasse versteckt hat, oder gar eine Nacktschnecke, wie ich es bei meinem eigenen Sohn erlebt habe, dann tut man gut daran als Eltern richtig zu handeln.
Und hier wären wir jetzt bei dem Punkt angelangt, der meiner Beobachtung nach nicht selten doch einen gewissen Einfluss auf das spätere Essverhalten nimmt: Haben nämlich Eltern den sicher nur beschützend gemeinten Antrieb, permanent „Pfui“ oder „Bäh“ und „nicht in den Mund“ zu sagen, kommt es nicht immer von ungefähr, wenn auch das Kind etwas später seine ersten Karotten und dergleichen nicht mehr in den Mund nimmt – das ist vermutlich etwas überzeichnet. Aber ein ständiges „Bäh“ – und sei es, weil die Mutter es selbst ausstößt, wenn sie die Meeresfrüchte auf Vaters Teller nicht anschauen kann – bleiben vom Kind tatsächlich nicht unbemerkt, dessen sollte man sich bewusst sein.
Ich versuche diese Wörter, in meiner Kommunikation einfach weg zu lassen und somit, so gut es geht, die Neugierde auch am Essen hochleben zu lassen.
Wenn man den Luxus eines Fleckchens Grün hat – oder gar einen Garten – gibt es dahingehend nichts besseres, als in der warmen Jahreszeit seinen Sprössling mit einer Schüssel voll Beeren in die Wiese oder auf ein Handtuch zu setzen – und los geht das Vergnügen.
Gelungene und gesunde Ernährung ist gar nicht so schwer, wenn man dem Kind von Beginn an einen guten Zugang zu unseren Nahrungsmitteln erlaubt, seine Neugierde, auch in Bezug auf Essen, nicht unterdrückt und sich letztendlich Zeit für sich und seine Familie nimmt – gerade auch bei der täglichen Nahrungszubereitung.
Spätestens ab der Geburt unseres zweiten Kindes, als ich schön langsam ins Mama-Sein hineingewachsen bin, der anfängliche Stress mehr und mehr der Freude an den Kindern und meinem Dasein als Mutter wich, wurde es mir auch immer wichtiger die Familie gesund zu ernähren.
Für die Umsetzung waren zwei Faktoren essenziell. Will man täglich eine frische, schmeckende, gehaltvolle Mahlzeit zaubern, wird man sich wohl oder übel die Zeit dafür nehmen müssen. Eine Ressource, die man vor allem dann hat, wenn man sich auf seine Elternschaft einlassen kann. Zusätzlich sollte man sich über die Jahre einiges an Wissen bezüglich unserer Nahrungsmittel zulegen. So wird man immer besser darin den Mahlzeiten Lebensmittel mit den geeigneten Nährstoffen, Vitaminen, Mineralien, etc. zuzugeben. Bis man schlussendlich vielleicht sogar einiges an Wissen über die Pflanzen und Wildkräuter um uns herum erlangt und einem bewusst wird, dass die wirklich wertvollen Lebensmittel in Fülle und kostenlos auf unseren Wegen und in unseren Gärten wachsen, und übrigens problemlos den meisten herkömmlichen Rezepten beizumengen sind.
Mit vielen natürlichen Zutaten, einem gesunden Essens-Rhythmus und der nötigen Zeit dazu hätte man bereits über die Ernährung eine nicht zu verachtende Gesundheitsvorsorge.
Bewegung
Neben der Ernährung sehe ich die Bewegung als den zweiten wichtigen Faktor zum Beitrag einer intakten Vitalität. Auch hier muss Dank des natürlichen Bewegungsdranges wenig getan werden, außer ihn von Anfang an zuzulassen.
Zugegeben es ist anfangs die weniger bequeme Variante. Aber bei der Investition in ein Kind gilt immer, wer zuletzt lacht, lacht am besten. Viele Dinge erfordern nämlich einiges an Einsatz in den ersten Jahren, zahlen sich aber aus, wenn das Kind größer wird.
Was ich damit sagen will: Kinder „angenehm“ oder „unauffällig“ zu halten, mag eine Zeit lang gelingen, aber alles, was die freie Entfaltung behindert, wirkt sich erfahrungsgemäß irgendwann negativ aus.
Die Kunst im Zusammenleben mit Kindern ist immer, dem Kind eine Umwelt zu ermöglichen, in der es sich seiner Natur nach entwickeln kann. Bewegung ist ein fester Bestandteil davon. Lass von Anfang an zu, dass dein Kind sich viel bewegen kann, wenn es das möchte. Für die Sicherheit ist der Erwachsene verantwortlich. So kann man sich beispielsweise sichernd hinter das Kind stellen, wenn es seinen ersten Kletterversuch auf das Sofa oder die Treppen wagt – aber man kann dem Kind diese Herausforderung gewähren.
Ein Baby ist leicht wegzutragen und in einen Kindersitz zu schnallen, drückt man ihm ein blinkendes Etwas in die Hand, ist es auch zu abgelenkt, um zu protestieren. 10 Jahre später, wenn es auf dem „Jugendsitz“ namens Couch chillt und ebenfalls auf ein blinkendes Etwas starrt in dem youtube läuft, protestiert es ganz vehement, wenn wir versuchen, dem Kind sein Smartphone weg zu nehmen und es zum Laufen zu schicken. Man muss sich bewusst darüber sein, dass man im Wesentlichen erntet, was man sät. Ein kleines Kind protestiert oft nicht sofort, dennoch kann man sich stets die Frage stellen: möchte ich, dass so mit mir verfahren wird?
Ein gutes Beispiel dafür war eine unserer letzten Großfamilien-Weihnachtsfeiern:
Wenn wir dort alle zusammenkommen, bewegen sich etwa zehn Kinder durchs Haus der Verwandten. Ein jüngerer Großneffe, er war gerade im „Krabbel-Steh-Ein bisschen Geh-Alter“, hatte im dortigen Wohnzimmer eines dieser Gitterstangen-Quadrate für sich, ich glaube man nennt es „Gehschule“ – ich nenne es eigentlich eher Kindergefängnis.
Der Kleine stand da also an den Rand seiner Gitterstangen geklemmt und schaute dem Treiben und den herumlaufenden anderen Kindern zu. Er war damit auch so beschäftigt, dass er nur fallweise protestierte. Wenn er lauteren Protest erhob, kam eins der Geschwisterkinder und machte „Kitzikitzi“ und das half wieder für ein paar weitere Minuten. Irgendwann tat mir der Kerl so leid, dass ich die Mutter ansprach und fragte wieso er da drinstecken müsse. Ihre Antwort: „Na, sonst müsst ich ja dauernd hinterher, hier sind nirgends Steckdosensicherungen und es gibt eine Stiege.“ (Es war das Haus ihrer Eltern.) Ich nahm ihn dann für eine Weile raus und stellte mich bei Bedarf vor die Steckdosen – sodass er zwischen dem Kindergewusel auch etwas rumkrabbeln konnte.
Das ist genau das, was ich meine. In Notfällen ist es sicherer ein Kind in so einen Gitterkäfig zu setzten bevor es sich elektrisiert. Aber eine Mutter, die in Ruhe essen, tratschen oder Kaffee trinken will, ist kein Notfall.
Es stimmt: bis zu einem gewissen Grad hat junge Elternschaft tatsächlich manchmal wenig mit geselliger Gemütlichkeit zu tun.
Dafür habe ich Sonntage kennengelernt, an denen wir zu fünft malen, ein Buch lesen, oder vor dem Kamin auf dem Fell liegen – das ist eine ganz andere, sehr erfüllende Art von Gemütlichkeit und Frieden.
Ein Kind sollte sich also von Anfang an bewegen dürfen und zwar in dem Ausmaß, in dem es seinen Bedürfnissen entspricht – also so viel es eben will. Gerade in den ersten beiden Lebensjahren ist der Erwachsene gefragt um die verschiedenen Herausforderungen, denen sich der junge Mensch stellen möchte, entsprechend abzusichern. Dennoch gilt, dass einem Kleinkind durchaus etwas zuzutrauen ist, und dass es in der Regel oft das Risiko selbst gut einschätzt, vor allem wenn es gesund und ausgeschlafen ist. Jeder aufmerksame Elternteil wird in der Regel beobachten können, dass sich sein Kind eher verletzt, wenn es müde oder überlastet ist, beziehungsweise anfängt zu kränkeln.
Mit einem Baby oder Kleinkind, das beginnt sich zu bewegen, ist man als verantwortliche Person selbst ebenfalls in Bewegung. Insbesondere weil die Kinder der heutigen Zeit sehr oft an Orte mitgeschleppt werden, die eben nicht den geeigneten Rahmen bieten und dann muss man als Erwachsener ran. Es sei denn, man hat sich beispielsweise zu Hause eine relativ sichere Umgebung organisiert und kann hier das Baby frei ausprobieren lassen – was sehr empfehlenswert ist.
Es ist nämlich für Kind und Eltern sehr anstrengend, wenn sie sich andauernd innerhalb eines Quadratmeters gemeinsam bewegen.
Wiesen, Wald, meist auch der Garten sind Plätze, an denen man sein Kind zwar im Auge behalten, aber es dabei von einem guten Stück Entfernung aus beobachtet und selbstständig bewegen und entdecken lassen kann.
Ob nun Bewegung oder Ernährung, einmal mehr hat sich für mich der Grundgedanke meiner Texte auch hier bewährt: Kinder bringen vieles mit, was sie brauchen, und haben in der Regel gesunde Urinstinkte. Kompliziert wird es, wenn sich das alles in unserer „modernen“ Welt gesund entwickeln soll, weil vieles nicht mehr nach diesen Grundbedürfnissen organisiert und aufgebaut ist. Es ist die große Aufgabe, der wir Eltern uns stellen müssen, die natürliche Entwicklung des Kindes in einer Gesellschaft wie der unseren irgendwie möglichst unbeschadet möglich zu machen.

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